Inhalt des Dokuments
Maschinelle Lernverfahren enthüllen atomare Interaktionen in bislang ungekannter Präzision
Einem internationalen Team von Wissenschaftlern
der Technischen Universität Berlin, des Fritz-Haber-Instituts der
Max-Planck-Gesellschaft und der Universität Luxemburg ist es jetzt
gelungen, Maschinelles Lernen und Quantenmechanik so zu kombinieren,
dass sie die Dynamik und die atomaren Interaktionen in Molekülen mit
einer bislang ungekannten Präzision und Effizienz vorhersagen
können. Molekulardynamische Simulationen bilden den Grundstein für
viele Modelle in den Natur- und Materialwissenschaften. Ihre
Vorhersagekraft ist aber immer nur so gut, wie die Präzision der
zugrundeliegenden interatomaren Wechselwirkungen, die in Form von
Potentialen beschrieben werden. Klassische Potentiale bauen auf
mechanistischen Modellen auf, die wichtige Quanteneffekte nicht
erfassen können. Die jetzt veröffentlichte Arbeit liefert neue
Erkenntnisse über das komplexe dynamische Verhalten von Molekülen.
Diese Entwicklung verspricht, die Vorhersagekraft der modernen
atomaren Modellierung in Chemie, Biologie oder auch den
Materialwissenschaften erheblich zu verbessern.
Exakte
Erkenntnisse über die Moleküldynamik einer Substanz, also letztlich
genaue Kenntnisse über die möglichen Zustände und Interaktionen der
einzelnen Atome in diesem Molekül, helfen viele chemische und
physikalische Reaktionen nicht nur zu verstehen, sondern auch zu
nutzen. „Maschinelle Lernverfahren haben das Arbeiten in
vielen Disziplinen dramatisch verändert, aber in der
molekulardynamischen Simulation wurden sie bislang wenig
eingesetzt“, so Dr. Klaus-Robert Müller, Professor für
Maschinelles Lernen an der TU Berlin. Das Problem: Die meisten
Standard-Algorithmen wurden in dem Bewusstsein entwickelt, dass die
Menge der zu verarbeitenden Daten irrelevant ist. „Das gilt aber
nicht für akkurate quantenmechanische Berechnungen eines Moleküls,
bei denen jeder einzelne Datenpunkt entscheidend ist und die einzelne
Berechnung bei größeren Molekülen viele Wochen oder auch Monate in
Anspruch nehmen kann. Die enorme Rechnerleistung, die dafür benötigt
wird, machte bislang ultrapräzise molekulardynamische Simulationen
unmöglich“, erläutert Klaus-Robert Müller.
Genau
diese Herausforderung haben die Wissenschaftler jetzt gelöst, indem
sie physikalische Gesetzmäßigkeiten in maschinelle Lernverfahren
integriert haben. „Der Trick besteht darin, mit den maschinellen
Lernverfahren nicht alle der potentiell möglichen Zustände der
Molekulardynamik zu berechnen, sondern nur die, die sich nicht aus
bekannten physikalischen Gesetzmäßigkeiten oder der Anwendung von
Symmetrieoperationen ergeben“, so Klaus-Robert Müller.
Zum einen nutzen die neu entwickelten Algorithmen unter anderem
natürliche mathematische Symmetrien innerhalb von Molekülen. Sie
erkennen zum Beispiel Symmetrieachsen, die die physikalischen
Eigenschaften des Moleküls nicht verändern. So müssen diese
Datenpunkte nur einmal, anstatt mehrmals berechnet werden und
reduzieren damit die Komplexität der Berechnung erheblich. Zum
anderen nutzt das Lernverfahren das physikalische Gesetz der
Energieerhaltung und berechnet erst gar keine Molekülzustände, die
aufgrund dieses Gesetzes unmöglich sind.
Mit dem innovativen
Ansatz, dass die verwendeten maschinellen Lernverfahren physikalische
Gesetze „einbeziehen“, bevor sie lernen, die Moleküldynamik zu
berechnen, ist es dem Team gelungen, die beiden Gegensätze hohe
Präzision und Dateneffizienz aufzuheben.
„Unser Ansatz
liefert den bislang fehlenden Schlüssel für das Erreichen
spektroskopischer Genauigkeit in molekularen Simulationen, die für
eine wirklich realitätsnahe Modellierung benötigt wird",
erklärt Prof. Dr. Alexandre Tkatchenko, Leiter der Gruppe
„Theoretisch Chemische Physik" an der Universität
Luxemburg.
„Diese speziellen Algorithmen erlauben es, das
Verfahren auf die schwierigen Probleme der Simulation zu
konzentrieren, anstatt Rechnerleistung für die Rekonstruktion
trivialer Beziehungen zwischen Datenpunkten zu nutzen. Damit
demonstriert diese Arbeit eindrucksvoll das hohe Potential der
Kombination von künstlicher Intelligenz und Chemie oder auch anderen
Naturwissenschaften“, beschreibt Klaus-Robert Müller.
Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem
Europäischen Forschungsrat und der Korean National Research
Foundation gefördert. Ein Teil dieser Forschung wurde durchgeführt,
während die Autoren das Institut für Reine und Angewandte Mathematik
IPAM an der University of California, Los Angeles (UCLA) besuchten,
das von der National Science Foundation unterstützt wird.
Die Webseite des Projekts: http://quantum-machine.org/gdml/
[1]
Nature Communications
DOI:
10.1038/s41467-018-06169-2
https://www.nature.com/articles/s41467-018-06169-2 [2]
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Prof. Dr. Klaus-Robert MüllerTU Berlin
Maschinelles Lernen
Tel.: 030 314-78620
E-Mail-Anfrage [3]
nfrage/parameter/de/id/199429/?no_cache=1&ask_mail=
YDlZJAAJ7QZJI5mKvYY8QFyg8ugQnai2qweNzmZKC%2FXA%2BKtU0P4
ilrRw3c6wu2Hz&ask_name=KLAUS-ROBERT%20MUELLER