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Gemeinsame Medieninformation Technische Universität Berlin und Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) e.V.
Studie zum Umgang von Städten mit migrationsbedingter kultureller Vielfalt erschienen
Montag, 04. Juni 2018
Medieninformation Nr. 98/2018
Der Umgang mit migrationsbedingter kultureller
Vielfalt gehört zu den größten Herausforderungen von Kommunen in
Deutschland. Trotz der hohen stadtpolitischen und gesellschaftlichen
Relevanz fehlte bislang eine systematisierende Betrachtung zum Stand
der wissenschaftlichen Diskussion zu diesem Thema. Diese Lücke zu
schließen war das Ziel einer heute erscheinenden Studie, die von der
Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegeben und von Wissenschaftlerinnen
des Leibniz-Instituts für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) und der
Technischen Universität Berlin erstellt wurde. Darin analysierten
sie, auf welche Herausforderungen Städte reagieren müssen, welche
Widerstände und Konflikte zu erkennen sind und wie diese überwunden
werden können.
Die Studie arbeitete den Wissensstand unter
anderem zu folgenden Themengebieten auf und entwickelte
Handlungsempfehlungen für die Stadtpolitik: Als ersten Schritt
erarbeiteten Prof. Dr. Felicitas Hillmann und Hendrikje Alpermann eine
Typologie für die Städte in Deutschland im Hinblick auf ihre
Migrationserfahrung sowie auf weitere Indikatoren wie Größe und
Charakteristika des städtischen Arbeitsmarkts. Darüber hinaus
systematisierten sie Fachliteratur in Bezug auf die Wechselwirkung von
Migration und kultureller Vielfalt mit Segregation und Integration,
Partizipation sowie Identität und religiöser Vielfalt. Nicht zuletzt
legt die Studie auch offen, dass es in den Städten viele Beispiele
für produktive Orte migrationsbedingter Vielfalt gibt.
Zur Typologie der Städte
Wesentlich ist
die Differenzierung der Migrationserfahrungen der Städte durch eine
gesonderte Betrachtung der „stock population“ und der „flow
population“ – also jener Bevölkerung, die bereits länger in
einer Stadt ansässig ist, und jener, die aktuell durch Zuzug die
kulturelle Zusammensetzung möglicherweise verändert. Die meisten
Großstädte in Westdeutschland weisen beispielsweise, bedingt durch
die Gastarbeiterhistorie, eine hohe migrationsbedingte Vielfalt in der
stock population auf und sind zugleich durch einen hohen Zuzug
unterschiedlicher Mobilitätstypen (nach Herkunftsländern, Status und
Aufenthaltsdauer) sowie Geflüchtete geprägt. Dies stellt sich für
die Städte in Ostdeutschland anders dar: die Vielfalt der stock
population ist wenig ausgeprägt und die flow population ist ebenfalls
weniger diversifiziert. Es bestehen zudem wesentliche Unterschiede
zwischen Städten, die bereits den Übergang zu
dienstleistungsorientierten städtischen Arbeitsmärkten vollzogen
haben, und Städten, die sich noch in einer Umstellungsphase befinden.
Häufig sind es letztere Städte im wirtschaftlichen Umbruch, die
einen geringen Zuzug unterschiedlicher Mobilitätstypen, jedoch
verhältnismäßig vieler Geflüchteter, aufweisen.
Die Typisierung der Städte liefert wertvolle Hinweise auf die
Kompetenzen im Umgang mit neuen Herausforderungen mit
migrationsbedingter kultureller Vielfalt. Städte, die früh proaktive
Stadtpolitiken ergriffen haben und den Übergang in die
Dienstleistungsgesellschaft bewältigen konnten, profitieren heute
tendenziell von der vorhandenen kulturellen Vielfalt. Kleinere
Städte, besonders solche, die schrumpfen und die sich in einer
strukturell schwierigen Situation befinden, sträuben sich – mit
prominenten Ausnahmen – eventuell gegen neue Einflüsse von außen.
Kulturelle Vielfalt gelinge demnach leichter dort, wo sie schon
eingeübt ist und wo Konflikte bereits in der Vergangenheit bearbeitet
wurden, so Hillmann.
Zu den
Wechselwirkungen
So wurde beispielsweise deutlich,
dass die soziale Segregation in Städten im Durchschnitt höher ist
als die ethnische Segregation, dass es jedoch häufig zu
Überlagerungen in einzelnen Quartieren kommt.
Marginalisierungstendenzen, Fragmentierung der Stadtgesellschaften in
Milieus und sozialräumliche Verdrängungsprozesse in den
Innenstädten seien akute Gefahren für den gesellschaftlichen
Zusammenhalt, so die Autorinnen. In Bezug auf die Partizipation in
Stadtentwicklungsprozesse sei weiterhin eine Unterrepräsentation von
Migrant/-innen im institutionellen Gefüge der Städte zu erkennen.
Zugleich finde eine Ausdifferenzierung und Beschleunigung der
Aktivitäten statt: Migrantenselbstorganisationen erfahren vielerorts
eine Aufwertung; auch in den Verwaltungen schreitet die
interkulturelle Öffnung voran. Öffentliche Orte, dies zeigt die
Studie, werden vermehrt zu Aushandlungsfeldern migrationsbedingter
kultureller Vielfalt.
Zu den produktiven Orten
migrationsbedingter Vielfalt
Zu diesen Orten
gehören beispielsweise Bibliotheken und Museen, aber auch Paraden und
Feste. Viele Städte seien bereits auf dem Weg dahin, Migration als
Anlass zur Bearbeitung übergreifender, gesamtstädtischer
Problemlagen zu begreifen, so Hillmann. Der Umgang mit Migration
erhalte dadurch einen ähnlichen Stellenwert wie andere Treiber der
Stadtentwicklung, etwa Investitionen, Kultur, Nachbarschaftsarbeiten
und Sozialarbeit. Je stärker Städte ihre Handlungsmöglichkeiten auf
eine proaktive Bearbeitung von migrationsbedingter kultureller
Vielfalt ausrichteten, desto größer würden die Chancen, den mit der
Vielfalt immer auch verbundenen Konflikten im Vorfeld zu begegnen und
gesamtstädtische Stadtentwicklungsprozesse anzustoßen.
Weiterführende Informationen:
•
Direktlink zum Download der vollständigen Studie bei der
Bertelsmann Stiftung [1]
• Artikel „Von den
Rändern der Stadt her denken. Das Beispiel Berlin“ von Felicitas
Hillmann, Laura Calbet und Matthias Bernt in der Zeitschrift „Aus
Politik und Zeitgeschichte“ der Bundeszentrale für Politische
Bildung [2]
• Website zum Reinhard-Mohn-Preis
2018 „Vielfalt leben – Gesellschaft gestalten“ der Bertelsmann
Stiftung [3]
• Verlagswebsite zum Lehrbuch
„Migration. Eine Einführung aus sozialgeographischer Perspektive“
von Felicitas Hillmann [4]
• Institut für
Stadt- und Regionalplanung an der Technischen Universität Berlin
[5]
• Forschungsprojekt „Urbane
Regenerierungspraxen, Zuwanderung und die Produktion sozialräumlicher
Ungleichheiten in europäischen Städten“ von Felicitas Hillmann
u.a. am IRS [6]
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Prof. Dr. Felicitas HillmannLeiterin der Forschungsabteilung „Regenerierung von Städten“ des IRS und Professorin für „Transformation städtischer Räume im internationalen Kontext“ an der TU Berlin
Tel.: 033 62793 230
E-Mail-Anfrage [7]
n/publikation/did/kulturelle-vielfalt-in-staedten/
stadt-her-denken?p=all
kte/reinhard-mohn-preis/projektnachrichten/reinhard-moh
n-preis-2018/
rbane-regenerierungspraxen-zuwanderung-und-die-produkti
on-sozialraeumlicher-ungleichheiten-in-europ/
nfrage/parameter/de/font3/id/196381/?no_cache=1&ask
_mail=YAnGdgAEE7kJZZSTMmtSGmnuDExiI5LurJi92Ev3lSoXWpofT
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