Inhalt des Dokuments
Walter Höllerer wäre im Dezember 90 Jahre alt geworden
- Das Grab Walter Höllerers auf dem Städtischen Friedhof an der Heerstraße
[1]
- © Förster
Walter Höllerer war ein Glücksfall für
die TU und Berlin (West). Ihm gelang, was in der tristen
Nachkriegszeit auf ewig verloren schien. Er gab der Dreisektorenstadt
das Flair der einstigen Kulturmetropole zurück, indem er 1961/62 eine
spektakuläre Lesereihe initiierte: „Literatur im technischen
Zeitalter“.
In der Kongresshalle lasen nicht nur
Ingeborg Bachmann, Heimito von Doderer, John Dos Passos, Henry Miller,
Natalie Sarraut, Michel Butor, Salvatore Quasimodo und weitere
bedeutende Gegenwartsautoren, sondern – und das war die zweite
revolutionäre Tat – der Sender Freies Berlin strahlte diese
Kulturhighlights ungekürzt im Fernsehen aus. Höllerer wäre am 19.
Dezember 2012 neunzig Jahre alt geworden. Geboren in
Sulzbach-Rosenberg in der Oberpfalz, wurde er 1942 nach dem Abitur in
Amberg zur Wehrmacht eingezogen. Er erlebte den Krieg in Südeuropa.
In Griechenland wurde er Zeuge, wie Zivilisten erschossen wurden. Die
Poesie half ihm, diese Traumata zu verarbeiten. Nach 1945 studierte er
in Erlangen, Göttingen und Heidelberg erst Theologie, dann
Philosophie, Geschichte und Literaturwissenschaft. 1949 promovierte er
mit einer Arbeit über Gottfried Keller. Sein erster Gedichtband,
„Der andere Gast“, erschien 1952. Dieser zeichnete sich durch
einen neuen Lyrikton aus. Seit 1954 gehörte Höllerer zu der
legendären „Gruppe 47“. Er blieb der Lyrik und der
Literaturwissenschaft treu. 1956 erschien die Anthologie
„Transit“. Der Titel verrät Höllerers Absicht, zu Neuem
aufzubrechen und Grenzen zu überschreiten. Bald machte er als
Universitätsdozent in Frankfurt/Main Theodor W. Adorno Konkurrenz in
der Beliebtheit bei den Studierenden. Auch seine Habilitationsschrift
„Zwischen Klassik und Moderne“ (1958) wirkte programmatisch. 1959
erfolgte Höllerers Berufung zum Professor für Literaturwissenschaft
an die Humanistische Fakultät der TU Berlin. Seine Antrittsvorlesung
„Literatur im technischen Zeitalter“ kündigte einen
Paradigmenwechsel an. Moderne Lyrik könne sich nicht von einer
vermeintlichen Dämonie der Technik separieren. Im Gegenteil. Die
Sprache der Literatur habe sich mit der Alltagssprache und der Sprache
des Kalküls, den formalisierten Codes von Naturwissenschaft und
Technik auseinanderzusetzen. So begann das „Höllerer-Experiment“,
wie Norbert Miller es nannte. Drei wichtige, die Grenzen Berlins weit
transzendierende Projekte hat Höllerer initiiert: das TU-Institut
„Sprache im technischen Zeitalter“ und die gleichnamige
Zeitschrift, die heute noch existiert. Als Drittes kam die schon
erwähnte internationale Lesereihe in der Kongresshalle hinzu, aus der
1963 das legendäre „Literarische Colloquium Berlin“ hervorging.
So zogen die TU Berlin und die City West das internationale Interesse
auf sich. Die junge Generation der 1960er-Jahre war von Höllerer
begeistert, nicht nur, weil er sich mit der amerikanischen Lyrik
befasste, die durch die Popmusik jener Zeit – etwa Bob Dylan –
große Popularität erlangte. Er verstand es meisterhaft, die Medien
für die Verbreitung moderner Lyrik, Musik und Kinematografie in den
Dienst zu nehmen, ohne sich deren Gesetz zu unterwerfen. Man nannte
ihn „Zirkusdirektor“, aber Höllerer ließ nicht die
Medienmanager, sondern die Literaten, Musiker und Filmemacher die
erste Geige spielen. Heute ist er aktueller denn je. Das zeigen die
Höllerer-Vorlesungen und das seinem Erbe gewidmete Symposium
„Technik und Poetik“ 2012 (TU intern 1/12 [2]) an der TU Berlin.
Er starb am 20. 5. 2003. Sein Grab befindet sich auf dem Städtischen
Friedhof Heerstraße in der Nähe des Olympiastadions.
Die Serie „Orte der Erinnerung“ im Netz:
www.tu-berlin.de/?id=1577 [3]
"TU intern" Dezember 2012
- Online-Inhaltsverzeichnis [4]
- Hochschulzeitung "TU intern" - Dezember 2012 [5]
00710/Fotos/TU_intern/2012/Dezember/12_Hoellerer-Grabst
ein__2_.jpg
ien/publikationen/zeitungen_magazine/hochschulzeitung_t
u_intern/2012/tu_intern_dezember_2012/inhaltsverzeichni
s/parameter/de/
100710/Fotos/TU_intern/2012/Dezember/tui12_2012.pdf