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Mit 117 000 Schrauben begann die Karriere des „Lokomotivenkönigs“
- Borsigs Grabmal auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin
[1]
- © Förster
Die Geschichte der Firma August Borsig war
ein biedermeierliches Start-up-Märchen. Am 22. Juli 1837 – vor 175
Jahren – fand der erste Eisenguss auf dem Gelände
Chausseestraße/Ecke Torstraße statt. Als Borsig den Sprung in die
Selbstständigkeit wagte, beflügelten ihn Erfindergeist,
Konstruktionstalent, Wagemut, aber auch ein Schuldenberg. Fünf Jahre
später feierte Berlin ihn als „Lokomotivenkönig“. Sein Aufstieg
war atemberaubend. Noch heute hat der Name „Borsig“ einen guten
Klang.
Als Kind einer Handwerkerfamilie wurde er
am 23. Juni 1804 in Breslau geboren. Mit 15 Jahren ging er bei einem
Zimmermann in die Lehre und besuchte parallel die Kunst- und
Bauhandwerksschule, um auch architektonisches Wissen zu erwerben.
Seine Leistungen brachten ihm schließlich ein Stipendium für das
legendäre Berliner Gewerbeinstitut ein, wo Peter Christian Beuth ein
strenges Regiment führte. Der junge Borsig legte sich mit dem
Direktor wegen der Lehrinhalte an und ging ab. Erbost rief ihm Beuth
nach, er werde es nie zu etwas bringen. Doch er sollte Unrecht
behalten. Borsig vertiefte sein praktisches Wissen über
Zukunftstechnologien wie Eisenverarbeitung und Maschinenbau. Seit 1825
war er Mitarbeiter und bald „Faktor“ (Betriebsleiter) bei der
Eisen- und Maschinenfirma Franz Anton Egells in der Chausseestraße.
1828 heiratete er aus Liebe – nicht wegen der Mitgift – die
Küstertochter Louise Praschl. 1829 wurde Sohn Albert geboren. Seine
Absicht, Unternehmer zu werden, gab Borsig nicht auf. Als sein Vertrag
mit Egells ablief, erwarb er ein Firmengrundstück vor dem
Oranienburger Tor, von den Berlinern später „Feuerland“ getauft,
und eröffnete 1837 seine Eisen- und Maschinenbaufirma. Da er sich
hoch verschuldet hatte, nahm er jeden Auftrag an. Er begann mit dem
Guss von 117 000 Schrauben für die Berlin-Potsdamer Eisenbahn. Das
Engagement für diese neue Verkehrstechnologie ebnete den Weg zum
Berliner Lokomotivenkönig. Anfangs reparierte er nur die aus den USA
und England stammenden Loks. Er analysierte ihre Konstruktion,
verbesserte sie und erwarb Patente. Am 24. Juli 1841 ging er ein
Wagnis ein: Er initiierte eine Wettfahrt zwischen seiner ersten Lok
„Borsig“ und der des englischen Marktführers Stephenson. Trotz
einiger Anlaufschwierigkeiten gewann Borsig mit einem sensationellen
Zehn-Minuten-Vorsprung – und konnte anschließend zur
Lokomotiven-Massenproduktion übergehen. Diese spannende Wettfahrt ist
auch eine der Schlüsselszenen des zum Jubiläumsjahr im Jaron-Verlag
erschienenen Romans „Der König vom Feuerland“, in dem der
bekannte Krimiautor Horst Bosetzky, vielen auch unter dem Kürzel
„-ky“ bekannt, den rasanten unternehmerischen Aufstieg des
berühmten Maschinenbauers im industriell aufstrebenden Berlin des 19.
Jahrhunderts literarisch umgesetzt hat.
Und auch Beuth war
wieder in Borsigs Leben getreten. Auf der Berliner Gewerbeausstellung
1844 erhielt seine 24. Lok „Beuth“ eine Goldmedaille. Der Streit
war längst beigelegt und der einstige Gegner schätzte die Firma
Borsig als Musterunternehmen. Obwohl der Lokomotivenbau das
Kerngeschäft war, blieb seine Produktionspalette breit: Borsig
konstruierte die Pumpenanlage für die Fontänen von Sanssouci, die
noch heute in einer „falschen“ maurischen Moschee anzuschauen
sind, er baute die Kuppelkonstruktionen für die Potsdamer
Nikolaikirche und für das Berliner Schloss. Im März 1854 konnte
Firma Borsig ihre 500. Lok feiern, und der Chef hatte weitere große
Pläne. Er trieb den Ausbau der neuen Fabrik-, Wohn- und Gartenanlagen
in Moabit voran und eröffnete eine schlesische Dependance. Doch
plötzlich, am 6. Juli 1854, ereilte ihn der Tod. 100 000 Berliner
säumten seinen letzten Weg. Borsigs Nachfahren entwickelten die Firma
weiter, noch heute ist der Name Programm im Maschinenbau – doch sie
ist längst in anderen Händen. An August Borsig erinnert jedoch ein
imposantes Grabmal auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in der
Chausseestraße – vis-à-vis dem Ort, wo er sich seine
„Königswürde“ erarbeitete.
Die Serie „Orte
der Erinnerung“ im Netz:
www.tu-berlin.de/?id=1577
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