Page Content
There is no English translation for this web page.
Hans Heinz Stuckenschmidt - Virtuose in einem Orchideenfach der Technischen Hochschule
Man nannte ihn den "Grandseigneur der modernen Musik". 1948 erhielt er einen Lehrauftrag - im Rahmen des neuen Studium generale - an der TU Berlin. 1949 erfolgte seine Ernennung zum außerordentlichen, 1953 zum ordentlichen Professor für Musikgeschichte. Es war eines der vielen außergewöhnlichen Ereignisse in Hans Heinz Stuckenschmidts ungewöhnlichem Leben.
- Der Gymnasiast Stuckenschmidt vor dem Kurhaus in Wiesbaden, 1918.
[1]
- © Wolke Verlag, 2010
Hans Heinz Stuckenschmidt ist wahrscheinlich der einzige Lehrstuhlinhaber in der Historie des Berliner Polytechnikums, der durchs Abitur fiel. Obgleich Sohn eines preußischen Offiziers, schrieb der Gymnasiast 1918 einen kriegskritischen Abituraufsatz, den die Hamburger Lehrer mit "ungenügend" bewerteten. Seiner Karriere hat dieser Fauxpas nicht geschadet. Im Gegenteil. Sein Leben hat Stuckenschmidt in einer lesenswerten Biografie, "Zum Hören geboren", markant beschrieben. Vor allem die "Neue Musik" wurde sein Lebensthema. Am 1. November 1901 in Straßburg als Sohn eines Offiziers und einer Pianistin geboren, wuchs er unter anderem in Berlin, Magdeburg und Bremen auf. Bereits als Schüler fand er - angeregt durch ein Gustav-Mahler-Konzert - den Weg zur Musik Arnold Schönbergs, Anton Weberns, Alban Bergs und anderer. In den "Roaring Twenties" gehörte er zur künstlerischen Boheme und war mit den bedeutendsten Künstlern jener Zeit bekannt. Als brillanter Stilist und treffsicherer Polemiker schrieb er musikkritische Beiträge für die führenden Zeitungen in Berlin und Prag. Sein Markenzeichen war das Monokel. In diese Zeit fällt die Bekanntschaft mit Theodor W. Adorno. Beide verband zunächst das Bestreben, die "Neue Musik" durchzusetzen. Später dominierte die Polemik. Stuckenschmidt warf Adorno vor, dass dieser das Kunsturteil durch Soziologie ersetzt habe.
- Die letzte Ruhestätte des Musikers befindet sich im Kolumbarium des Friedhofs Wilmersdorf, Raum 12
[2]
- © Förster
Im Jahre 1934 erhielt Stuckenschmidt Schreib- und
Berufsverbot, weil er sich für die "Neue Musik" sowie
für jüdische Musiker und Komponisten einsetzte. Zugleich erlebte
er eine bemerkenswerte Solidarität durch Zeitungen des
demokratischen Auslandes, die seine qualifizierten Texte druckten und
honorierten. 1937 ging Stuckenschmidt - den Repressalien des
Propagandaministeriums ausweichend - nach Prag, wo er für das
"Prager Tageblatt" schrieb. Nach der Besetzung Böhmens und
Mährens durch die Wehrmacht blieb er als Journalist in Prag, obwohl
er ein Affidavit, eine Bürgschaftserklärung, für die USA hatte.
Als 1941 Reinhard Heydrich Reichsprotektor wurde, war
Stuckenschmidts Sicherheit gefährdet. Auf Anraten seines
Chefredakteurs sollte er sich freiwillig zur Wehrmacht melden; so
konnte er sich dem Zugriff der NSDAP entziehen. Für den bewussten
Hitlergegner war das - so paradox es erscheint - tatsächlich die
Rettung. Er wurde als Wehrmachtsdolmetscher in Frankreich und
Italien tätig und geriet 1944 in Kriegsgefangenschaft. 1946 kehrte
Stuckenschmidt in seine Wahlheimat Berlin zurück und beteiligte sich
aktiv am kulturellen Wiederaufbau, besonders auf musikalischem
Gebiet. Er war für den RIAS tätig und schrieb - zusammen mit
Friedrich Luft - für die "Neue Zeitung". Neben seiner
Lehrtätigkeit an der TU Berlin von 1948 bis 1967 bereiste er als
weltweit anerkannter Musikexperte viele Länder. Zu seinen
wichtigsten wissenschaftlichen Leistungen gehört unter anderem die
Schönberg-Biografie, die erstmals den Nachlass des Komponisten
berücksichtigte. Lange nach seiner Emeritierung erhielt er endlich
seinen einzigen akademischen Grad, den Ehrendoktor der Universität
Tübingen. Hochgeehrt starb Stuckenschmidt am 15. 8. 1988 in Berlin.
Seine Urne befindet sich im Kolumbarium des Wilmersdorfer Friedhofes.
Die Serie "Orte der Erinnerung" im Internet:
www.tu-berlin.de/?id=1577 [3]
"TU intern" Dezember 2011
- Online-Inhaltsverzeichnis [4]
- Hochschulzeitung "TU intern" - Dezember 2011 [5]
00710/Fotos/TU_intern/2011/Dezember/Stuckenschmidt_1918
.jpg
00710/Fotos/TU_intern/2011/Dezember/Stuckenschmidt.jpg
ien/publications/newspapers_magazines/university_newspa
per_tu_intern/2011/tu_intern_dezember_2011/inhaltsverze
ichnis/parameter/en/font4/minhilfe/
100710/Fotos/TU_intern/2011/Dezember/tui12_2011.pdf