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TU intern fragt Menschen in der Uni, was sie empfehlen würden. Franziska Schilling ist Mitarbeiterin im Architekturmuseum der TU Berlin.
"Berlin ist versaut und wird es in immer größerem Maße werden", beklagte Alfred Messel 1903 die Architektur der Hauptstadt. Zwar stammte der an der Bauakademie ausgebildete Architekt aus der Schule des Historismus, genau wie die von ihm gescholtenen Kollegen, doch er blieb nie bei einer Kopie der historischen Formen stehen, sondern interpretierte sie je nach Bauaufgabe neu und lebendig. Damit zählte er zu den modernsten Architekten seiner Zeit. Seine großbürgerlichen Villen und Landhäuser, sein sozialer Wohnungsbau, seine Geschäfts- und Verwaltungsbauten, seine Museen, und allen voran natürlich seine Warenhäuser für den Wertheimkonzern, wurden von Fachwelt und Publikum gefeiert. Doch sein Ruhm verblasste rasch. Der Moderne war er nicht modern genug, das Dritte Reich verfemte ihn wegen seiner jüdischen Abstammung. Die Zerstörungen von Krieg und Nachkriegsjahren entrissen viele seiner Bauten dem Gedächtnis; als Grenzgänger zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert blieb er der Architekturgeschichte suspekt.
Gemeinsam mit den Fachgebieten Baugeschichte und Architekturtheorie hat sich das Architekturmuseum der TU Berlin in einem DFG-Projekt des zu Unrecht vergessenen Architekten angenommen. Ein Ergebnis ist ein jetzt erschienener Architekturführer. Er reicht von Darmstadt bis nach Tuczno in Polen – vor allem aber konzentriert er sich auf Berlin, wo immer noch Villen im vornehmen Westen, die Volkscaféhäuser in Mitte, die Wohnanlagen in Friedrichshain und Pankow, die Berliner Handelsgesellschaft, der Lette-Verein und viele andere Bauten von Messels Kunst Zeugnis geben – und viel zu oft auch vom unsensiblen Umgang damit. Doch nicht nur als Handreichung vor Ort, auch als Nachschlagewerk versammelt das Buch mit über 150 meist farbigen Abbildungen, Karten und Grundrissen alles, was die (Wieder-)Entdeckung dieses letzten großen Meisters des 19. Jahrhunderts braucht.