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Die Fußball-WM hat Konsequenzen im sozialen Wohnungsbau
In dem neu erschienenen Handbuch "Mega-Event und Stadtentwicklung im globalen Süden – Die Fußballweltmeisterschaft 2010 und ihre Impulse für Südafrika" analysieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Situation vor der WM und nehmen engagiert Stellung. Ein Auszug:
Mehr als jeder zehnte Südafrikaner lebt heute ohne feste Bleibe – als Bewohner einer irregulären "Squatter"-Siedlung, einer Wellblechhütte im Hinterhof, eines sogenannten "Backyard Shack" oder als Untermieter. Die öffentlichen Ausgaben hinsichtlich des Fußballereignisses bedeuten zudem direkte Einsparungen im Staatshaushalt auf Kosten des staatlich geförderten Wohnungsbaus. Wegen des hohen Baumaterialbedarfs für die WM seien die Kosten im staatlichen Wohnungsbau exponentiell angestiegen, wie die Wohnungsbauministerin kürzlich betonte.
Es zeichnet sich außerdem ab, dass die Vorbereitungen für das Großereignis bestehende innovative Ansätze im Umgang mit den städtischen Armen in den Hintergrund treten lassen. Stattdessen verhindern Maßnahmen wie im Johannesburger Quartier "Bertrams" nahe am Ellis Park Stadion den Kontakt zwischen Fans und Anwohnern. Überdies finden wieder zunehmend Zwangsumsiedlungen statt, die die Existenzsicherung der Bewohner bedrohen.
Auch der soziale Wohnungsbau in Afrika geht an den Bedürfnissen der Ärmsten vorbei. Mieten liegen deutlich über dem sozial Verträglichen und führen dazu, dass nicht die Ärmsten, sondern nur die untere Mittelschicht von den aufwändigen Wohnungsbauprogrammen profitiert. Ein Beispiel ist das "N2-Gateway-Projekt" in Kapstadt. Die Ärmeren müssen für die entsprechenden Projekte Platz machen.
Zwangsräumungen und Vertreibungen sind ein brisantes Thema im südlichen Afrika, und die Widerstände gegen die Verdrängungen im Zuge von WM-Projekten wachsen. Darüber hinaus wächst die Frustration in den Townships, dass politische Versprechen im Wohnungsbau nicht eingelöst wurden, und der Druck auf die Regierung nimmt zu: In Kapstadt gingen Bewohner aus Macassar eigenmächtig vor, besetzten im Mai 2009 ein Stück Land und errichteten Shacks, was gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei zur Folge hatte. Die Besetzer taten kund, dass sie nirgends hin könnten und vergebens auf der Warteliste für Wohnungsversorgung stünden. Die Regierung verschwende Millionen für Stadienbauten, gebe aber nichts für Häuser aus.