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Preis für Dissertation des Forschungskollegs „Antisemitismus in Europa“
In den 35
Jahren von 1879 bis 1914, vom ersten Auftauchen des Begriffs
„Antisemitismus“ als politisches Schlagwort bis zum Ausbruch des
Ersten Weltkrieges, wurde das Phänomen der Judenfeindschaft zu einem
zentralen Problem der europäischen Geschichte. Neun Doktoranden aus
ganz Europa untersuchen in einem internationalen Forschungskolleg am
TU-Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) erstmalig die Entstehung
des europaweiten Antisemitismus. Nun ist die erste Doktorarbeit
veröffentlicht und fand sofort solche Resonanz, dass sie bereits
ausgezeichnet wurde. Anfang Dezember erhielt Tim Buchen den
Förderpreis des Botschafters der Republik Polen für seine
Dissertation „Antisemitismus in Galizien. Agitation, Gewalt und
Politik gegen Juden in der Habsburgermonarchie um 1900“. „Gerade
in den osteuropäischen Ländern herrscht großer Nachholbedarf in der
Forschung“, erläutert Prof. Dr. Ulrich Wyrwa, der zusammen mit
Prof. Dr. Werner Bergmann das Kolleg leitet und die Arbeit betreut
hat. „So stießen unsere Doktoranden mitunter auf Unverständnis und
Widerstände, als sie je ein Jahr in ihren Heimatländern Material
sammelten.“
Tim Buchen beschreibt in seiner Dissertation
ausführlich Konfliktsituationen, die zusammen mit mikrohistorischen
Fallstudien belegen, dass Antisemitismus nur wenig mit Nationalismus
zu tun hatte. Er stellte nicht die praktische Umsetzung einer neuen
Ideologie dar. Vielmehr wurden etablierte antijüdische Vorstellungen
im Alltag situativ genutzt, nicht um Juden aus der Lebens- und
Konsumwelt auszuschließen, sondern um sich materielle Vorteile zu
verschaffen. Es war eine Zeit der gesamtstaatlich vorgegebenen
Massenpolitisierung, polnische, ukrainische und jüdische
Nationsvorstellungen wandelten sich, die katholische Kirche öffnete
sich für gesellschaftliche Organisation in einer Umwelt, die sich
auch ökonomisch veränderte. Die Studie untersucht die sozialen
Prozesse, in denen sich antisemitische Sinnstiftung, Gewalt gegen
Juden und antijüdische Politik im Reichsrat vollzogen.
Der
mit insgesamt 4000 Euro dotierte Preis wird jährlich nach dem Urteil
einer internationalen Fachjury für Arbeiten zur polnischen Geschichte
und Kultur sowie zu den deutsch-polnischen Beziehungen verliehen. Er
wurde von der polnischen Botschaft und dem Zentrum für Historische
Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften 2008 ins
Leben gerufen.
Dass das Thema des Forschungskollegs in
Expertenkreisen für außerordentlich wichtig befunden wird, zeigt
auch der jüngste Erfolg des ZfA. Die Einstein-Stiftung Berlin
bewilligte im November 2011 das Nachfolgeprojekt, das die
Weiterentwicklung des europäischen Antisemitismus bis hin zu
hemmungsloser Gewaltpolitik und Holocaust in den Jahren nach 1914
betrachtet (siehe TU intern 12/11 [1]).
http://zfa.kgw.tu-berlin.de/projekte/europa.htm [2]
"TU intern" Februar 2012
- Online-Inhaltsverzeichnis [3]
- Hochschulzeitung "TU intern" - Februar 2012 [4]
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