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Interdisziplinäres Arbeiten funktioniere noch nicht, sagt Mathematik-Professor Volker Mehrmann. Mit dem Bau eines neuen Forschungsgebäudes will er das ändern
- Prof. Dr. Volker Mehrmann, Leiter der Arbeitsgruppe Modellierung, Numerik, Differentialgleichungen im Institut für Mathematik, langjähriger Sprecher des Forschungszentrums MATHEON
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- © TU Berlin/PR/Ulrich Dahl
Herr
Professor Mehrmann, wenn alles nach Plan läuft, wird die TU Berlin im
Jahr 2020 ein neues Forschungsgebäude haben – das
Interdisziplinäre Zentrum für Modellierung und Simulation, kurz
IMoS. Für wen ist dieser Neubau und woran wird geforscht?
Auf der Grundlage von mathematischen Modellen sind
wir heute in der Lage, im Computer neue Produkte oder Prozesse zu
simulieren. Und da wir das können, können wir auch versuchen, ihre
Eigenschaften zu optimieren, zum Beispiel dahin gehend, dass sie viel
weniger Energie verbrauchen. Um das zu erreichen, müssen Ingenieure,
Mathematiker, Naturwissenschaftler und Informatiker zusammenarbeiten.
In dem Gebäude werden deshalb interdisziplinäre Arbeitsgruppen zu
den fünf Schwerpunkten Infrastrukturnetze, Data Science, Turbinen,
Kontrolle selbstorganisierender nichtlinearer Systeme sowie Geometrie
und Visualisierung forschen. Vier dieser Schwerpunkte sind auch Themen
von Sonderforschungsbereichen an der TU Berlin. Außerdem werden die
„Berlin International Graduate School in Model and Simulation based
Research“, das 3D-Labor der TU Berlin sowie die Geschäftsstelle und
die TU-Forschungsgruppe des Forschungszentrums MATHEON dort
untergebracht werden.
Der Großteil der in diesen
Bereichen und Einrichtungen forschenden Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler arbeitet auf dem TU-Campus hier in Charlottenburg, und
auf dem sind die Wege kurz. Warum ein neues Gebäude?
Die Arbeiten in den genannten Einrichtungen zeichnen
sich ausnahmslos durch eine hohe Interdisziplinarität aus und genau
diese Interdisziplinarität ist der Schlüssel, um zu verstehen, warum
dieses Gebäude notwendig ist. Ich bin in drei der
Sonderforschungsbereiche involviert und meine langjährige Erfahrung
auf dem Gebiet des interdisziplinären Forschens zeigt, dass wir
dafür grundsätzlich neue Bedingungen brauchen. Die Realität ist
doch, dass wir uns einmal im Monat sehen und zuvor auch noch einen
Termin vereinbaren müssen. So kann man interdisziplinär nicht
arbeiten. Dafür sind die Themen viel zu komplex. Wenn wir wirklich
neue Erkenntnisse gewinnen wollen, dann geht das nur, indem die
jeweiligen Teams zusammensitzen und sich täglich – wenn Sie so
wollen – in die Augen schauen. Meiner Meinung nach wird nur diese
räumliche Nähe einen Quantensprung in den Ergebnissen
bringen.
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- © yello z bgm
Ohne Ihren Einsatz würde es
den Plan für den Bau nicht geben. Was war Ihr Motiv – dass
interdisziplinäres Forschen noch nicht so richtig
funktioniert?
Ja, auch. Seit 50 Jahren ist das ein
hehres Ziel, aber wir Wissenschaftler tun uns noch immer schwer damit,
auch weil die wissenschaftlichen Sprachen zum Beispiel eines
Strömungsmechanikers und eines Mathematikers verschieden sind.
Interdisziplinäres Arbeiten will gelernt sein. Deshalb wird in dem
Zentrum auch die Graduiertenschule ihren neuen Sitz haben. Deren
Promovenden sollen interdisziplinäres Denken direkt im
Forschungsprozess lernen. In der Lehre wird dies bislang ja nur
äußerst rudimentär vermittelt. Wir müssen diesbezüglich eine
völlig neue Wissenschaftsgeneration ausbilden. Im MATHEON übrigens
wurde das 14 Jahre lang geübt. Da haben wir als Mathematiker unsere
Insel Mathematik verlassen und daran gearbeitet, wie wir die
Mathematik als Schlüsseltechnologie zum Beispiel für die Medizin, im
Verkehr und bei der Energieversorgung nutzbar machen.
Inwiefern wird sich denn in der Architektur das Anliegen, in dem
Gebäude interdisziplinär zu forschen, widerspiegeln?
Um darauf antworten zu können, ist es noch zu
früh. Aber ja: Das wird die Herausforderung werden, innovative
architektonische Lösungen zu finden, die das interdisziplinäre
Arbeiten befördern. Auf die Ideen bin ich sehr gespannt, und ich
wünsche mir mehr als nur aneinandergereihte Büros.
Die TU Berlin forscht daran, ein energieeffizienter
Hochschulcampus zu werden. IMoS wird auf diesem Campus gebaut.
Außerdem gibt es an der Universität hinsichtlich
Ressourcenmanagement, Klimaschutz, smarter Baustoffe ein unglaubliches
Reservoir an Wissen. Wird das Zentrum ein Beispiel für ein
nachhaltiges Gebäude werden?
Das ist mein
Wunsch. Ob der Wirklichkeit wird, weiß ich nicht.
Das Interview führte Sybille Nitsche
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