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Berliner Bienen brauchen Futter und geeignete Lebensräume – ein Forschungsprojekt
- Auf 15 Modellflächen im Stadtgebiet haben die Forscher*innen ihre vielfältigen Pflanzenkisten aufgestellt, um Daten über Bienen und andere Bestäuber zu sammeln
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- © TU Berlin/FG Ökosystemkunde/Pflanzenökologie
„Den Bienen geht es nicht gut in Deutschland – dabei brauchen wir sie und andere Bestäuber dringend, um die Artenvielfalt zu fördern und zu sichern“, sagte Berlins Umweltsenatorin Regine Günther als sie die neue Berliner „Bienenstrategie“ vorstellte. Doch wie geht es eigentlich den Berliner Bienen? Stehen die Honigbienen in Nahrungskonkurrenz zu den Wildbienen? Finden sie genügend Lebensraum? Hilft die Hobby-Imkerei, die sich derzeit in der Stadt ausweitet, Vielfalt und Bestäubungsaufgaben zu unterstützen? Das TU-Forschungsprojekt „Unterstützung der Berliner Bienenstrategie durch Optimierung des Wildbienenschutzes“, das am TU-Institut für Ökologie angesiedelt ist, will erstmals Grundlagen schaffen.
„Derzeit spielen beim Thema Bienen und Artenschutz Emotionen noch
eine größere Rolle als Fakten“, sagt Dr. Sascha Buchholz, einer
der Projektleiter neben Prof. Dr. Ingo Kowarik und seiner Kollegin Dr.
Leonie Fischer vom TU-Fachgebiet Ökosystemkunde/Pflanzenökologie.
„Wir beschäftigen uns bereits seit 2012 mit Forschungen zur
Vielfalt urbaner Wildbienen“, so Sascha Buchholz. „Eine
Langzeitstudie zum Beispiel, die von einem Insektenrückgang von 76
Prozent innerhalb von 27 Jahren sprach, sorgte 2017 für helle
Aufregung. Doch kann eine solche Einzelstudie keine allgemeingültigen
Aussagen treffen. Dafür fehlen noch die Grundlagen zu vielen Aspekten
der Biodiversitätsforschung.“
Derzeit gewinnen Stadträume als
Lebensraum für Bestäuber immer größere Bedeutung, denn
Monokulturen, Pestizide und fehlende Blühstreifen drängen diese auf
dem Land immer weiter zurück. Doch auch im Stadtgebiet machen
Flächenversiegelung und fehlendes Nahrungsangebot insbesondere den
Wildtieren immer mehr zu schaffen.
„Die Berliner*innen wollen
helfen“, so Sasche Buchholz. „Daher gibt es im Berliner
Stadtgebiet mittlerweile eine hohe Dichte von Honigbienenvölkern,
aber oft fehlen Qualifikation der Akteure und Wissen über die
Auswirkungen von Honigbienendichten auf die einheimische
Wildbienenfauna.“ Eines der Ziele des Projekts ist es deshalb, zu
untersuchen, wie der Wildbienenschutz mit der Haltung von Honigbienen
zu vereinbaren ist. „Insekten, und gerade Bienen, sind allgemein
gefährdet, das ist richtig“, erklärt Anita Grossmann, ebenfalls
Forscherin im Projekt. „Von den in Deutschland vorkommenden 585
Wildbienenarten steht etwa die Hälfte auf der Roten Liste.“ Die
Wissenschaftlerin hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Anika Gahof bereits
in ihrer Masterarbeit zu Bestäubern in der Stadt geforscht. Auf mehr
als 50 Trockenrasen in Berlin hatten sie unter anderem 108
Wildbienenarten gezählt. „Vielen dieser Wildbienen fehlen die
Lebensräume sowie ein ausreichendes und geeignetes
Nahrungsangebot“, erklärt sie. Im aktuellen Projekt mit der
Senatsverwaltung ist unter anderem eine Aufwertung von potenziellen
Lebensräumen für Berliner Bienen geplant, indem berlinspezifische
Empfehlungen für bestäuberfreundliche Ansaatmischungen und
Gehölzpflanzungen erarbeitet werden. Zudem sei es notwendig,
geeignete Habitatstrukturen zu schaffen, auch im hauseigenen Garten
oder auf dem Balkon, in denen sich die Wildbienen wohlfühlen – zum
Beispiel Totholz und Laub liegen zu lassen, wenig zu mähen und
Verdichtungen der Böden durch Betonieren zu vermeiden. „Wildbienen
sind wichtige Bestäuber, leben vorwiegend solitär, bilden also keine
Staaten, sondern versorgen ihre Brutzellen ohne die Hilfe von
Artgenossen. Nur Hummeln, die auch zu den Wildbienen zählen, und
wenige Wildbienenarten führen eine ähnlich soziale Lebensweise wie
die Honigbienen. Doch Honig produzieren diese nicht“, erklärt Anika
Gahof. „Sie sind außerdem, anders als die Honigbienen, oft recht
spezialisiert und deshalb auf bestimmte Pflanzenarten sowie auf
Habitatstrukturen angewiesen.“ Ob sie in Nahrungskonkurrenz zu den
Honigbienen stehen, weiß man nicht. Auch darüber soll das
Forschungsprojekt Aufschluss geben. Auf 15 Modellflächen im
Stadtgebiet, unter anderem in Tegel, in Kladow, in Beelitzhof oder im
Wedding, wird ein bislang einzigartiges Experiment durchgeführt. Die
Forscher*innen haben Kästen mit – auch farblich –
unterschiedlichen Blumen und Pflanzen in verschiedenen Abständen zu
Bienenstöcken aufgestellt, um unter anderem zu erfassen, welche
Wildbienen und anderen Bestäuber die Pflanzen anfliegen und ob eine
Nahrungskonkurrenz zu Honigbienen nachzuweisen ist.
„Wir freuen
uns, dass das Thema in der Öffentlichkeit bereits so großen Raum
einnimmt“, so Sascha Buchholz, „deshalb ist es wichtig, mit
Missverständnissen aufzuräumen.“ Beispielsweise sei Imkerei kein
Natur- oder Artenschutz, sondern eine landwirtschaftliche
Dienstleistung. „Die Honigbiene ist ein von Menschen gepflegtes
Nutztier. Um Artenschutz zu betreiben, müssen wir etwas für
Wildbienen tun, für Falter, Schwebfliegen, Wespen und Käfer.
Hierfür wollen wir die Bevölkerung sensibilisieren.“ Mut zur
Wildnis gehöre dazu, auch im eigenen Garten, und: Freude an
einheimischen Pflanzen und an der städtischen Insektenvielfalt.
www.tu-berlin.de/?206347 [2]
https://bienen-nachrichten.de/wissenschaften [3]
www.berlin.de/senuvk/natur_gruen/biologische_vielfalt/de/publikationen
[4] (Bienenstrategie)
00710/TU_intern/Bilder/2019/Juli/2019_03_10_Wildblumen.
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_vielfalt/de/publikationen