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Verladesystem für den Brennstoff bei hohem Seegang in Sicht
Erdgas ist heute bereits nach Kohle und Erdöl der drittgrößte Energielieferant weltweit. Seine Bedeutung steigt ständig, zum einen, weil es der umweltfreundlichste der fossilen Brennstoffe ist, und zum anderen, weil die weltweiten Erdgasvorräte als größer eingeschätzt werden als zum Beispiel die Erdölvorräte. Die größten und bisher weitgehend ungenutzten Gasfelder befinden sich „offshore“, also auf hoher See in großen Wassertiefen. Eines der Hauptprobleme ist der Transport des Gases zum Festland. Der Bereich Meerestechnik an der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Günther Clauss forscht zurzeit daran, diesen Transport sicherer, schneller und effektiver zu gestalten.
- Die norwegische Plattform „Sleipner Øst“ in der Nordsee ist eine der modernsten Offshore-Gasförderanlagen
[1]
- © Statoil
Gewonnen wird das Gas auf einer schwimmenden
Erdgasförderplattform. „Danach wird das Gas auf minus 162 °C
abgekühlt, verflüssigt und dabei um das rund 600-Fache verdichtet.
Anschließend wird es in sogenannte LNG-Tanker (Liquid Natural Gas)
verladen und zum Festland transportiert“, erläutert Professor
Clauss. Problematisch ist vor allem das Verladen selbst. Was sich so
einfach anhört, stellt eine enorme technische Herausforderung dar:
Von einem schwimmenden Objekt müssen – komplett kälteisoliert –
rund 100 000 Tonnen Flüssiggas in ein zweites, unabhängig
schwimmendes Objekt verladen werden. Ein Vorgang, der unter hohen
Sicherheitsvorkehrungen und auch bei hohem Seegang effizient
durchführbar sein muss. Zusammen mit ihren Industriepartnern –
Nexans Deutschland, IMPaC Offshore Engineering und BRUGG Rohrsysteme
– hat die Gruppe um Günther Clauss in einem Vorgängerprojekt ein
effizientes, innovatives Verladesystem mit flexiblen, doppelwandigen
Edelstahlwellrohren mit einem großen Innendurchmesser von 16 Zoll
entwickelt.
In dem neuen, vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie mit insgesamt 2,5 Millionen Euro – 500
000 Euro beträgt der TU-Anteil – geförderten Projekt SOTLL
(Sideways Offshore Transfer for LNG and LPG) mit einer Laufzeit von
zweieinhalb Jahren wird ein Verladesystem entwickelt, das auch bei
hohem Seegang zuverlässig und sicher arbeitet und von allen
Tankertypen ohne zusätzlichen Umrüstungsaufwand angesteuert werden
kann. „Dabei untersuchen wir, in welchem Winkel man die
Förderplattform in den Seegang stellen muss, damit der Tanker
seitlich im Windschatten, also in ruhigerer See, anlegen kann.“
Dafür stehen dem Fachgebiet Meerestechnik ein 120 mal acht Meter
großes Seegangsbecken und präzise nachgebaute Modelle der Tanker und
Plattformen zur Verfügung. „Wir haben den unglaublichen Vorteil,
dass wir dort jeden beliebigen Seegang erzeugen und endlos wiederholen
können“, so Clauss. „Auf diese Weise können wir zum einen für
jeden Seegang den optimalen Winkel der Plattform und des Tankers
berechnen und überprüfen und zum anderen auch Notfallszenarien
analysieren.“
Nicht nur, dass sich Tanker und Plattform
unabhängig voneinander bewegen, in den teilgefüllten Erdgastanks
kommt es zusätzlich zu dem sogenannten „Sloshing“. Dabei schwappt
das verflüssigte Gas aufgrund der freien Flüssigkeitsoberflächen
hin und her – ähnlich der Suppe auf einem übervollen Suppenteller.
Wenn allerdings 100 000 Tonnen anfangen zu schwappen, kann das
erhebliche zusätzliche Auswirkungen auf die Bewegungen der
schwimmenden Objekte haben. „All diese Effekte werden von uns bei
der numerischen Analyse der Hydrodynamik des gesamten Systems
genauestens berechnet“, erläutert Professor Clauss. Ziel ist ein
Modell, das für jeden Seegang, für jeden Tanker- und Plattformtyp
die genauen Positionen zueinander vorgibt und berechnet, bis zu
welchem Seegang und bei welchem Wetter noch sicher verladen werden
kann.
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