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Synthetische Biologie findet neuen Weg zur Herstellung von Lantibiotika
- Roderich Süssmuth (l.)
[1]
- © TU Berlin/Pressestelle/Dahl
Roderich Süssmuth und Nediljko Budisa,
beide Professoren des Berliner Exzellenzclusters "Unifying
Concepts in Catalysis" (UniCat), haben einen neuen Weg zur
künstlichen Herstellung von Lantibiotika entwickelt. Lantibiotika
sind eine Gruppe von Antibiotika. Sie enthalten Aminiosäuren, die
nicht im Eiweiß von Lebewesen vorkommen, sogenannte
nicht-proteinogene Aminosäuren. Budisa und Süssmuth berichten
darüber in der neuesten Ausgabe der angesehenen Fachzeitschrift
"Angewandte Chemie".
Durch den Einbau
synthetischer Aminosäuren in Peptid-basierte Lantibiotika wurde die
chemische Vielfalt von Lichenicidin, einem antibakteriell wirkenden
Zweikomponenten-Lantibiotikum, wesentlich erhöht. Das Verfahren
ermöglicht die biotechnologische Herstellung von vielen verschiedenen
Lichenicidin-Verbindungen. Damit wird ein Weg zu neuartigen
Antibiotika geebnet, die für den Menschen therapeutisch eingesetzt
werden können.
Süssmuth und Budisa möchten die
herkömmliche natürliche zelluläre Chemie für die bakterielle
Lantibiotika-Synthese durch eine neue Methode erweitern. In der Natur
werden die Lantibiotika zunächst als Präpropeptid-Form unter Nutzung
von 20 Standard-Aminosäuren ribosomal synthetisiert und danach
enzymatisch zu biologisch aktiven Lantibiotika umgewandelt. In ihrer
neuen Studie konnten Süssmuth und Budisa zeigen, dass der Einbau von
unnatürlichen Aminosäuren den synthetischen Spielraum drastisch
vergrößert. "Das ist wie mit einem Kasten voller Legosteine,
dem wir neue Steine mit neuen Verbindungsmöglichkeiten
hinzufügen", sagt Budisa. "Dadurch können wir Stoffe
synthetisieren, die normal lebende Zellen nicht herstellen können,
zum Beispiel Lantibiotika mit chemischen Eigenschaften, die nicht
durch die natürliche Evolution hervorgebracht wurden."
Süssmuth und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren die
Ersten, die vor Kurzem mit gentechnisch veränderten
Escherichia-coli-Bakterien das Lantibiotikum Lichenicidin herstellten.
Es besteht aus zwei Peptiden, die nach dem Einbau modifiziert wurden
und miteinander kombiniert antimikrobiell wirken. Der bakterielle Wirt
Escherichia coli stellt bis heute die besten Bedingungen für
gentechnische Arbeiten bereit und ermöglicht es eine oder mehrere
synthetische Aminosäuren in Peptid-basierte Antibiotika zu
integrieren. Dadurch lässt sich die klassische Gentechnologie für
die Produktion synthetischer Antibiotika nutzen.
- Roderich Süssmuth (oben) und Nediljko Budisa forschen im TU-Exzellenzcluster "UniCat"
[2]
- © TU Berlin/Pressestelle/Dahl
"Die
Arbeiten von Nediljko Budisa und Roderich Süssmuth zeigen, wie ein
Ganzzellkatalysator funktionieren könnte. Dies setzt die Kopplung von
vielen enzymatischen Prozessen voraus: ein Kerngeschäft des
UniCat-Netzwerkes", sagt Prof. Dr. Matthias Drieß, der Sprecher
des Exzellenzclusters.
Es gibt genau 20 natürliche
Aminosäuren. Sie sind die Grundbausteine für den Aufbau von
Eiweißen durch Lebewesen. Budisa und seine Mitarbeiter haben ein
Verfahren entwickelt, mit dem nahezu jede der 20 natürlichen
Aminosäuren durch synthetische ersetzt werden kann. Damit werden die
Grenzen der traditionellen Gentechnik durchbrochen. Sie nennen dieses
neue biochemische Verfahren
"Condonemanzipation".
Der genetische Code und das Konzept der Codonemanzipation
Der genetische Code wurde 1966 aufgeklärt, er ist
für alle Lebewesen gleich. Das bedeutet, dass in jedem Organismus
eine bestimmte Reihenfolge von Nukleinsäuren in der DNA das gleiche
Eiweißmolekül liefert.
Der genetische Code bestimmt, wie
die Reihenfolge der Basen aus Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und
Thymin (T) in Eiweiße übersetzt wird. Je drei Basen stehen für eine
Aminosäure. Solch ein Triplet nennt man Codon. Es gibt nur 64 Codons,
die 20 Aminosäuren bilden. Deshalb sind die meisten Aminosäuren
durch mehrere Codons codiert.
Zum Beispiel kann die
Aminosäure Arginin durch die sechs Codons CGG, CGA, CGC, CGU, AGG und
AGA dargestellt werden. AGG und AGA sind in Bakterien wie Escherichia
coli sehr selten benutzt. Deshalb könnten theoretisch zum Beispiel
alle AGGs im Erbgut eines Lebewesens einer neuen, nicht-natürlichen
Aminosäure zugeordnet werden. Man sagt dann, die Zelle ist
codonemanzipiert, das heißt, die alte, natürliche Chemie ist durch
eine neue ersetzt.
"TU intern" Dezember 2011
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- Hochschulzeitung "TU intern" - Dezember 2011 [4]
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